Herausforderungen bei internationalen Zertifizierungen von elektrotechnischen Produkten

Viele Hersteller in Europa (EU) haben in den vergangenen Jahren Ihren Lieferbereich erweitert und haben begonnen ihre Geschäfte zu internationalisieren respektive globalisieren.

Internationaler Markzugang EU => Global

Dabei werden die Hersteller teilweise von bisher nicht bekannten Herausforderungen behindert.

War das in Verkehr bringen von elektrotechnischen Produkten in der EU einheitlich über die in der ganzen Europäischen Union geltenden Richtlinien geregelt, so sind die Herausforderungen in anderen Ländern vielfältig.

Das beginnt damit, dass anders als in der EU, in vielen Ländern eine s.g. Pflichtzertifizierung existiert und die bisher bekannte Hersteller CE-Konformitätserklärung nicht anerkannt wird.

Aber selbst in Ländern bzw. Wirtschaftsräumen wie z.B. der EAWU (Eurasische Wirtschaftsunion) die sich an das Regelwerk der EU angelehnt haben, wird ein verpflichtend an den Produkten anzubringendes Zeichen (EAC-Zeichen) gefordert, welches nur von dafür akkreditierten Organisationen vergeben werden darf. Es basiert allerdings ausschließlich auf Prüfungen in einem dafür akkreditierten Prüflabor. Prüfergebnisse aus einem nicht nach ISO 17025 akkreditiertem Herstellerlabor können und dürfen dabei nicht verwendet werden.

Innerhalb der EU existiert kein Anbieter von Prüf- und Zertifizierungsdienstleistungen, welcher eigenständig in der Lage wäre das EAC Zeichen zu vergeben. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben ist immer ein in der EAWU ansässiger Zertifizierungsdienstleister einzubinden. Dazu können, je nach Anforderung Prüfreporte genutzt werden, die von Europäischen, nach ISO 17025 akkreditierten, Prüflaboren (ggf. natürlich auch von entsprechenden Prüflaboren außerhalb der EU) erstellt wurden. Es kann aber auch in Ausnahmefällen notwendig sein ein Labor in der EAWU zu nutzen (z.B. bei Funkprodukten).

Hinweis: Da der Markt in der Eurasischen Wirtschaftsunion für viele Hersteller ein sehr wichtiger Markt ist, werde ich dazu einen eigenen Beitrag erstellen.

In anderen Ländern werden getrennte Zeichen bzw. Zertifizierungen für Sicherheit und EMV verlangt. Ein typisches Land für diese Art von Vorgehen ist Korea. Für den EMV Bereich ist in Korea die RRA (National Radio Research Agency) zuständig. Diese hat wiederum 2 unterschiedliche Verfahren, welche in Abhängigkeit des Produktes zur Anwendung kommen. Produkte welche keine Funkkomponenten enthalten werden bei der RRA nur registriert. Dazu sind gültige EMV Prüfreporte, welche die nationalen Bedingungen widerspiegeln (z.B. 60 Hz Prüfungen) unerlässlich. Dies funktioniert bei der Auswahl des richtigen Prüfdienstleisters unkompliziert, da in der EU einige davon über ein s.g. MRA (Mutual Recognition Agreement) zwischen der EU und Korea berechtigt sind Prüfreporte für die RRA Registrierung zu erstellen. Dies gilt aber nur solange der Hersteller und die Fertigungsstätte der elektrotechnischen Produkte in der EU liegen. Sobald der sich Sitz des Herstellers oder die Fertigungsstätte außerhalb der EU befinden, greift das MRA nicht mehr. Hier müssen dann andere Wege beschritten werden. Einer davon ist die Ausstellung eines s.g. CB Prüfberichtes (später dazu unter dem Thema „IECEE CB Zertifizierungsabkommen“ mehr). Für Produkte mit Funkkomponenten wiederum ist eine Zertifizierung durch die RRA erforderlich. Hier ist es in der Regel erforderlich Prüfberichte in Korea selbst erstellen zu lassen. Ein MRA, welches es Europäischen Prüfstellen gestatten würde auch hier entsprechende Prüfreporte zu erstellen welche in Korea anerkannte werden, existiert zwischen der EU und Korea (noch) nicht.

Auch Südafrika besitzt diese getrennte Zertifizierung durch unterschiedliche Organisationen für den Bereich Sicherheit und EMV. Eine Besonderheit hier ist, dass für den Bereich EMV nur bestimmte Prüflabore zugelassen sind, während in vielen anderen Fällen im internationalen Zertifizierungsgeschäft über internationale Abkommen (z.B. das ILAC MRA oder das EA) die Anerkennung von EMV Prüfreporten europäischer Prüflabore möglich ist. Insgesamt sind es weltweit z. Zt. nur 50 Labore, wovon nur 2 in Europa liegen (Stand Januar 2021), die von den Südafrikanischen Behörden anerkannt werden. Alle anderen sind in Asien oder der USA. Das sorgt für ausgelastete Labore und ggf. längere Prüfzeiten, die bei der internationalen Markteinführung in Südafrika zu berücksichtigen sind.

Zu beachten ist weiterhin, dass ein Produkt in unterschiedlichen Ländern ggf. auch unterschiedlich in Bezug auf die Zertifizierungspflicht betrachtet werden muss. Oft existieren spezielle Listen oder Kategorien von Produkten die als Zertifizierungspflichtig angesehen werden. An diese muss man sich strikt halten.

Auf der anderen Seite – China ist ein typisches Bespiel für die Komplexität – kann das gleiche Produkt sowohl unter eine Zertifizierungspflicht fallen als auch unter die Befreiung davon. Was ist dabei der Unterschied? Die Frage, ob das Produkt ausschließlich gewerblich eingesetzt wird oder von „Otto Normalverbraucher“ gekauft werden kann. Es kommt also teilweise sogar auf das Vertriebskonzept in dem jeweiligen Land an in das man seine Produkte verkaufen möchte. Im Zweifelsfall kann man sich eine Befreiung von der Zertifizierungspflicht in einigen Ländern auch schriftlich zur Vorlage beim Zoll bestätigen lassen. Dies ist ein kostenpflichtiger Service, der einem Unternehmer ggf. hohe Zertifizierungskosten und Folgekosten für Werksinspektionen ersparen kann. Das funktioniert ggf. auch, wenn man sich bzgl. einer Zertifizierungspflicht für ein bestimmtes Produkt nicht sicher ist.

Eine Besonderheit ist noch bzgl. des nordamerikanischen Marktes, also USA und Kanada, zu beachten. In diesen beiden Ländern existieren von dem großen Teil des Rests der Welt abweichende Sicherheitsstandards. Während in der s.g. „IEC-Welt“ die Standards einen sehr starken Fokus auf die Vermeidung bzw. Verhinderung von elektrischen Gefahren haben (u.a.), sind in dem nordamerikanischen Raum viele Standards noch stark fokussiert auf Brandgefahren. Die Anforderungen weichen damit sehr stark von den Standards ab, die in Europa bekannt sind. Auch wenn in USA und Kanada immer mehr Standards mit denen der IEC Welt harmonisiert werden, kommen über die nationalen Abweichungen die Anforderungen an den Brandschutz oft wieder hinzu. Auch wird von den dort ansässigen Prüfinstituten sehr stark darauf geachtet, dass einzelne Komponenten ebenfalls von der Zertifizierungsstelle zertifiziert sind. Wenn nicht, drohen hohe Kosten für die Mitbeurteilung solcher Komponenten im Zuge der Zertifizierung.

Nun noch abschließend zu einem Thema, welches für viele Firmen ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur internationalen Vermarktung darstellt, das so genannte CB-Verfahren.

Im Prinzip geht es bei dem CB Verfahren darum, dass Prüfergebnisse die von einem Prüflabor erstellt wurden die Grundlage für die Zertifizierung in einem Zielland darstellen. Dazu wird ein s.g. CB Prüfbericht für das Produkt von einem Prüflabor erstellt, die zugehörige Zertifizierungsstelle (Body A) erstellt dazu ein s.g. CB Zertifikat. Mit diesem CB Zertifikat und dem zugehörigen CB Prüfbericht reicht man das Produkt zur Zertifizierung bei dem lokalen Zertifizierungsstelle (Body B) in dem Zielland ein. In der Regel ohne weitere Prüfungen, wird basierend auf dem eingereichten Prüfbericht dann das lokale Zertifikat des Ziellandes ausgestellt. Allerdings gestattet das Verfahren ggf. auch der Zertifizierungsstelle ein oder mehrere Prüfmuster anzufordern.

Allerdings ist dieser Umsetzungsprozess an etliche Bedingungen geknüpft, die nicht immer einfach zu durchschauen sind. Ich möchte hier nur die wichtigsten aufzeigen:

  1. Sowohl die Erstprüfstelle als auch die das CB Zertifikat ausstellende Zertifizierungsstelle (Body A) müssen für das Produkt selbst respektive den zugehörigen Sicherheitsstandard im CB Verfahren als „issuing/recognizing = I/R“ gelistet sein. Im Zielland muss die Zertifizierungsstelle mindestens für das Produkt als „recognizing = R“ im CB Verfahren gelistet sein. Es reicht also nicht aus, dass die Prüfstelle und die Zertifizierungsstelle an sich an dem CB Verfahren als solches teilnehmen. Diese Grundvoraussetzung muss als erstes auch bei der Auswahl des Prüflabors geprüft werden.
  2. Es muss geprüft werden, ob für das Zielland s.g. nationale Abweichungen zu dem für das Produkt zutreffenden Standard existieren. Diese müssen ggf. von dem die Prüfungen durchführenden Labor ebenfalls geprüft und dokumentiert werden.
  3. Für Komponenten welche sicherheitsrelevant sind (z.B. Netzschalter, Netzkabel, Netzstecker und weitere Komponenten im s. g. Netzkreis, der mit dem Versorgungsnetz direkt verbunden ist) und in dem zu zertifizierenden Produkt eingesetzt werden, müssen in der Regel eigene CB Zertifikate und entsprechende Testreporte verfügbar sein.
  4. Besonderheiten in Bezug auf die im Zielland abweichende Netzspannung und/oder Netzfrequenz müssen bei den Prüfungen durch das erste Prüflabor ggf. berücksichtigt werden. Besonders kritisch sind dabei die Länder Japan, Korea und Saudi-Arabien (dies ist eine nicht abschließende Aufzählung) zu sehen. Dort wird gefordert, dass bestimmte Prüfungen mit den dort herrschenden Netzspannungen und Netzfrequenzen durchgeführt werden.

Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, droht die Ablehnung der eingereichten Unterlagen oder es werden s.g. Ergänzungsprüfungen im Zielland oder durch das Labor welches den ursprünglichen Prüfbericht erstellt hat notwendig. Beides ist mit zusätzlichen Kosten und zum Teil erheblichen Zeitverlusten bei der Markteinführung verbunden.

Allgemein kann man sagen, dass viele Zertifizierungsstellen nach der Vergabe des eigenen Zertifizierungszeichens auch eine so genannte Werksinspektion regelmäßig in den Fertigungsstellen des Herstellers durchführen wollen bzw. müssen. Das reicht von einmal im Jahr bis zu viermal im Jahr. Dies ist teilweise auch von dem Produkt selbst abhängig bzw. den Erfahrungen von vorangegangenen Werksinspektionen in der Fertigungsstätte.

Betrachtet man diesen kleinen Ausblick auf die internationale Zertifizierungswelt, so stellt man fest, dass sich durchaus lohnen kann einen mit diesen Herausforderungen vertrauten Experten mit der Einholung von internationalen Zertifikaten zu betrauen.

Der Autor dieses Artikels kennt sich mit all diesen Aspekten aus mehr als 30 Jahren Tätigkeit in diesen Gebieten aus.

Sollten sie Fragen haben oder Unterstützung bei Ihren Projekten der internationalen Zulassung benötigen, so wenden sie sich gerne an Ihn.

Autor:            Heiko Sattler
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